Wesenheiten des Göttlichen
divinitatis essentia – Die Wesenheit des Göttlichen
Grund und Maß in der Gotteserkenntnis
Eine Einführung in das Werk des Monologion
1.
Das Monologion ist Werk eines sich Besinnens auf die Wesenheit des Göttlichen (divinitatis essentia). Es anerkennt als Maß in der Beurteilung seiner Frage die Einheit des Wesens, die aus der Vielheit der im Begriff von Gottes Sein sich erschließenden Wesenheiten ihm zur Aufgabe wird, ihr erkennend zu entsprechen.
Das Werk des Monologion verfährt unter dem Anspruch der Vernunft exemplarisch, muß also allgemein mitvollziehbar sein können. Es verbindet darum ein begründendes mit einem maßgeblichen Verhalten, da es das Maß von dem her annimmt, dem es für die mitzuvollziehende Darstellung zu entsprechen sucht. Insofern steht es unter der ihm zu eigen gewordenen Herausforderung, das als vernünftig und glaubwürdig anzunehmende Maß, als von Gottes Sein und Wesen her uns denkbar, weiterzugeben. Die Vernunft in dieser die allgemeine Beurteilungkraft fordernde Besinnung auf das als göttlich für uns anzunehmende verfährt begründend und muß aufzuweisen suchen, dass für uns im gemeinschaftlich sich besinnenden Denken und Erkennenkönnen das göttlich Maßgebende auch in für diese unsere darin schon gebrauchten Vernunft- und Urteilsvermögen ursprünglich und darum in allen Bestrebungen und Ziel- und Zweckbestimmungen zu berücksichtigen ist. [Maßannahme in Stellvertretender Besinnung auf das für die mitfragenden Menschen in ihre geistigen Orientierung Wesentlichen – Maßannehme in Begründung einer darin, in diesem Annehmen des Maßes als Grudn sich erneurnden Ordnung]
Das Monologion setzt darum im 1. Kapitel mit der Reflexion darauf ein, was wir als maßgeblich annehmen, wenn wir etwas für gut erachten.
Damit ist das Gottesverhältnis von Anfang der Erkenntnisfrage an in ein das Ethische und Sittliche betreffende Verhaltensreflexion eingebettet, die sich in der Grundhaltung fundamental unterscheidet, vom Ausgang einer naturwissenschaftlichen Erfahrung, die – wie bei Thomas von Aquin – aus einem erklärenden Verstehen von gegenständlichen Gegebenheiten in der Welt als gewordene und bewegte nach Ursachen fragt und auf eine erste Ursache zurückschließt.
Diese dann Gott zu nennen, setzte sein Sein in einen Erklärungsgrund von Erfahrungserkenntnis der Dinge in der Welt und bezweckt deren Totalität als Einheit in Gedanken zu fassen.
2.
Als exemplum meditandi de ratione fidei werden die als geistige Gemeinschaft stiftende, den tradierten Glaubensgehalt zu wahren fähige Wesenheiten des Göttlichen als Vernunftgrund einsehbar und durch in seiner methodisch zu führenden Entsprechung als allgemein erkenntnisfähig gewahrt.
Anselm von Canterbury bereitet im Monologion in der Rolle dessen, der sich auf die Wesenheit des Göttlichen besinnt, einen die Schwierigkeiten und Grenzen in das Bedenken für das Verstehen aufnehmenden, aber mit Vernunft gangbaren Weg der Gotteserkenntnis, der selbst eine Eröffnung werden können muß und Kriterien des allgemein geltungsfähigen, Gemeinschaft in stellvertretender Verantwortung von Vernunft und Gemeinsinn begründenden Entsprechung im Gottes- und Selbstverhältnis aufzunehmen und mit Einsicht anzuwenden ermöglicht.
Zentral und in den Folgewerken aufzunehmen, expliziert das Monologion ein für die Urteilskraft im Vernunftverhältnis zu Gott im Einsicht suchenden Glaubensbewußtsein entscheidendes Kriterium: dass das als göttliches Wesen als ursprünglich anzunehmende Maß für in jeder Hinsicht als besser zu erkennen ist, dass es ist, als das es nicht wäre. Dieses Selbstsein schließt als Maß im Sein für uns das Entsprechen aus der Annahme ein: wir vollziehen mit diesem Kriterium des Gemeinsinns in reflektierender Urteilskraft eine Selbstverpflichtung. Denn Gottes Sein in der beurteilenden Annahme des unbedingt Maßgeblichen wird nicht beschrieben, sondern in Erkenntnis seines Wesens als Bestimmungsgrund dort angenommen, wo es uns als Maß grundlegend ist. Das Sein der Gabe schließt das Angenommensein ein, dessen Maßbestimmung wir denkend und im Verhalten in Frage stellen können, aber vernünftigerweise nicht fraglich sein lassen dürfen.
3.
In diesem auf das Jahr 1076 datierten Werk begegnet das Spezifische Anselm‘schen Denkens als Einsichtsweg der Vernunft. Wir können einsehen, dass wir im Glauben, Gott sei gütig und gerecht, sein einiges Wesen nur denkend uns bewußt halten können, wenn wir ihn als die Güte selbst und die Gerechtigkeit selbst erachten. Damit erkennen wir dem Sein Gottes das als wesentlich zu, was für uns in jeder Beurteilung, ob etwas gut und gerecht sei, maßgeblich ist.
Mit der Besinnung auf die maßgeblichen Kriterien unserer Urteilskraft zeigen sich die Wesenheiten des Göttlichen als Grund und Maß noch dieses Besinnens, das für die Entsprechung aber die Kräfte und Vermögen der Seele insgesamt in den Anspruch. Aus der Einheit der Wesenheiten im Göttlichen folgt die Einheitsverantwortung in Beachtung und Herausforderung der Kräfte der Seele, die mit aufgerufen sind für das in Weisheit liebende und fürsorgende Erkennen -
Die Methode erfordert ein Mitdenken, das sie als Bildung je eigener Einsicht zu ermöglichen sucht – auf für sie maßgebliche Weise, und folgt in diesem Ermöglichen, wie es das spätere Proslogion noch einmal verdeutlich, dem Liebesgebot im Gottesverhältnis, das Herz und Seele in all ihren Kräften mit seinem Aufruf in Anspruch nimmt.
und "lieben werden aus ganzem Herzen, aus ganzem Gemüte, aus ganzer Seele" (Proslogion XXV; vgl. Mt 22,37: mit deinem ganzen Verstand).
Der Weckruf an alle Kräfte des Geistes und der Seele ist ein Anruf zur Hoffnung, der im exemplum des wegführenden Werks auch Zuversicht stiftet, ihm entsprechen zu können: daß Einsicht und die mit ihrer Bildung in der Selbsterkenntnis verbundene Gotteserkenntnis möglich wird.
Gottes Wesen kann als maßgebend im Grundverhältnis vom Ursprung der Seele her angenommen und erneuernd aufgenommen werden. Und so zeigen sich auch die an Monologion und Proslogion anschließenden Werke Anselms eingesenkt in die Gefolgschaft jenes Einsicht eröffnenden Gebots, das das Evangelium nach Matthäus aus dem Alten Bund in dessen Erneuerung übernimmt:
Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit all deinen Kräften (Dt 6,5) und mit deinem ganzen Verstand / all deinen Gedanken (Mt 22).
Dieser Selbstaufruf wird als der Vernunft in ihrem Grundverhältnis eigenes (selbstverpflichtendes) Gebot erkennbar, das die Entsprechung zum grundgebenden Maß als Selbstensprechung erkennt und diese in Selbsterkenntnis in Bildung und Gestaltung (im Leben und Handeln) vollzieht. Damit erreicht die Einischtsbildung mit dem erkennenden Selbstbewußtsein das, worin Vernunft mit den Seelenvermögen vom Maß ihrer Einheit her ursprünglich als Vermögen der Gründe verbunden ist.
4.
Das Monologion gewinnt als Werk der reflektierenden Besinnung (meditatio) in seinem Grundverhältnis exemplarische Bedeutung, verfährt beispielhaft im vorbildlichen Sinne und stellvertretend durch die Vernunftüberlegung, die seine Entscheidungen in ihren Verknüpfungen ebenso führt, wie die Vernunft sich durch die Verflechtung des als Wesenheit des Göttlichen einsichtig Werdenden in der Ausübung vermögensreflexiver Urteilskraft führen läßt. Als durchgängig nachvollziehbar sich in ihren Verfahrensweisen messen lassend, nimmt die Vernunft als Vermögen der Begründung und die Urteilskraft als Vermögen des Maßes die Einheit der Seele – und damit unser Seinkönnen als Personen – in den Anspruch ihrer Geltungsentscheidungen. Der Ideenverflechtung der Wesenheiten entspricht eine Verbindung von Vermögen unter Einheitsbedingungen und nur durch diese ist jene überhaupt annehmbar und als zugrundeliegend zu wahren. So, aus mitsorgender Verantwortung der Grundgabe der Vernunft in Besinnung auf das ihr angemessene wird es der Seele möglich, am sich – als Grund und Maß – zu erkennen gebenden Wesen Gottes (für das Entsprechen) zu orientieren, ihrerseits die Vernunftvermögen wahrend, die zu ihrem Geist gehört. Dies eröffnen Monologion und Proslogion – seine Grundlegung und Auftrag an die nachfolgenden Werke übergebend.
Wohlbedacht und für die Komposition der Werke in ihrem Gefüge bedeutsam greift der Prolog des Proslogion genau diesen Bestimmungsgrund des „kleinen“, aber umfangreichsten Werks im Ouevre Anselms auf und umschreibt es als ein „exemplum meditandi de ratione fidei.“ Während die Anselmforschung immerhin der Frage nachging, wie das anschließend benannte „unum argumentum“ des Proslogion sich zu der Verkettung der vielen Argumente im Monologion verhält, blieb unter der – verfehlten – Voraussetzung, das unum argumentum sei ein ontologischen Argument, fast unbeachtet, daß sich jene Verkettung nur aus den Wesensbestimmungen in Wahrung der Einheit des Wesens – im Sein – des Göttlichen hatte ergeben können. Das eine Argument im Ansatz des Proslogion kann darum nicht anders eine Einheit für die vielen Argumente im Monologion gewährleisten, als daß auch es die göttliche Wesenheit in Begriffen gültig entfaltet und als gut und vernünftig in Grund- und Maßbedeutung einsichtig und im Annehmen vernehmlich macht.
5.
Das Denken in Begriffen bemüht in aller Anstrengung die Kräfte des Verstandes, kann seine Vermögen aber nur in die Entsprechung einbinden, wenn Vernunft und Urteilskraft dessen Intentionen auf ein Wissen von Gott, wie er „an und für sich selbst“ ist, begrenzt – und zwar dadurch, dass dessen Bestimmungen des Seins Gottes in Verhältnissen zu Raum und Zeit ad absurdum geführt werden (wie in Mon XX ff: Also die höchste Wesenheit ist entweder überall und immer, oder nur irgendwo und irgendwann, oder nirgends und nie.) oder, wie im Proslogion, dass aufzeigbar ist, dass ein in sich verschlossenes, nicht sich ursprünglich zu erkennen Geben, kein vernünftiger Gedanke von Gottes Wesen sein kann.
Das unum argumentum des Proslogion, dass Gott es Sein für das erachtet werden müsse, über das hinaus nichts größers und würdiges zu sein gedacht werden kann, bezieht eine Grenze des verständigen Denkens in die leitende Bestimmung des Gottesbegriffs ein, nimmt so aber den Gabegrund des Maßes für das Vermögen des Denkens und Erkennens an, das im Gottesverhältnis sich selbst nicht ungemäß werden darf, sonst verliert es das als göttlich und ursprünglich ermöglichend als Grund des vermochten Seinkönnens anzunehmende Maß. Der im Glaubensbewußtsein verankerte Gedanke an das Sein Gottes kann sich ohne verhaltensorientierende Wesenserkenntnis nicht halten und keine Wahrheit für die Einsichtsbildung wahren.
Anselm beweist in Mon 18 in einem Argument, das er in „de veritate“ wieder aufnimmt, das nicht in Grenzen von Raum und Zeit Gedachtwerdenkönnen des göttlichen Seins durch eine Geltungsreflexion der Wahrheit als göttliche Wesenheit.
Sodann denke, wer es vermag,
wann begonnen hat oder wann das nicht wahr war,
nämlich daß etwas zukünftig war;
oder wann aufhören wird und das nicht wahr sein wird,
nämlich daß etwas vergangen sein wird.
Wenn nun keines von diesen beiden gedacht werden kann
und beides ohne die Wahrheit nicht wahr sein kann,
so ist es unmöglich auch nur zu denken,
daß die Wahrheit einen Anfang oder ein Ende habe.
(…)
die Wahrheit kann durch einen Anfang oder ein Ende nicht eingeschlossen werden;
daher folgt dasselbe inbezug auf die höchste Natur,
weil sie die höchste Wahrheit ist.
6.
Die reflexiv stellvertretende Besinnung des Monologion auf die Wesenheit des Göttlichen läßt sich nur durch eine Mehrheit von Wesensbegriffen denken – und genau daraus ergibt sich die Vernunftverantwortung für den Glauben der Seele, für den Glauben als Seelenvermögen dort, wo er der Gottes- und Selbsterkenntnis zugehört. Denn ohne Begriffe können wir weder Sein noch Wesen des Göttlichen denken und brauchen ihre Bedeutung in angemessenem Gebrauch – schon für die Seellenvermögen dort, wo ihre Anmessung in Ausübung von Urteilskraft und im Befolgen von Regeln auf die rechte Bedeutung in der Annahme des Maßes zur Angemessenheit aus (das Selbstseinkönnen) erneuerndem Grund verweist.
Die nach Gott (als Maß und Grund ihres Seinkönnens als geworden und als der Bildung und Entwicklung bedürftig) fragende Seele weiß sich – wie Anselm im Proömium des Proslogion in der Anrede auf Gott hin es ausspricht – als des Maßes in Erneuerung von Gabe und Annahme zur Bildung von Angemessenheit bedürftig. Indikator der Unangemessenheit im Denken und Bewußtsein selbst ist das Fragestellende Denken, das einen Begriff gebraucht und eine verständige Antwort auf seine Frage haben will: 'Was ist Gott?'
Weil dem Verstand kein ihm für sein Gegenstandsbewußtsein angemessen bestimmbarer Begriff verstattet sein kann, in dessen Bedeutung er das göttliche Selbstsein, ihm gerecht zu werden intendieren könnte, muß die vernünftige Urteilskraft auch umwillen der Bewahrung der Verstandesvermögen als Vermögen zu urteilen und Gegenstände der Erfahrung auch als wirklich zu erkennen, der vergegenständlichendem Gebrauch von Kategorien, wie Substanz oder Kausalität für deren bewußtseinserzeugende Verbindungsfunktionen begrenzt werden, anerkennend, dass sie in jedem begrifflichen Bewußtsein von etwas (aliquid) teilhaben. Darum setzen die Reflexionen im Monologion und Proslogion jeweils mit dem "aliquid" ein.
"Est igitur unum aliquid summe magnum et summe bonum" M 1
'Es ist also ein Etwas höchst gut und höchst groß'
"Melius quidem est omnino aliquid quam non ipsum:" M 15
'Besser ist ja überhaupt Etwas als nicht-Es'
et quidem credimus te esse aliquid quo nihil maius cogitari possit. P 2
Und zwar glauben wir, daß Du "etwas bist, über dem nichts Größeres gedacht werden kann".
6.
Woimmer wir also einem "etwas" begegnen, das wir Gott nennen oder Gott "etwas" nennen, von dem wir "etwas" auszusagen suchen oder es implizit denken und die Form des "etwas als etwas" gebrauchen, das "ti kata tinos" des etwas vorstellenden Urteils, sind wir zur kritischen Prüfung in beurteilender Reflexion auf die Bedingungen des Urteilsvermögens angehalten.
Die (erfahrbar gewordene) Inadäquatheit des Verstandesdenkens in in gegenstandsfunktional gebrauchten Begriffen (propositionen) wird zum Grund / Beweggrund einer berichtigenden Erkenntnis, die in die Bildung des Vermögensverhaltens …. eingeht und das Maß der Vermögen wiedererinnert.
Entscheidend für die Notwendigkeit, den Verstand im Gebrauch seiner Urteilsfunktionen und Kategorien im Gottes- und darum dem auf die Maßannahme angewiesenen Selbstverhältnis zu begrenzen, sind die auf das Gegenstandsbewußtsein bezogenen Bedingung seines Urteilsvermögens. Denn er kann Gegebenheit im Gegenstandsbewußtsein nur in Raum-Zeit-Verhältnissen situieren und so die Anschauung aus Erscheinung eines Gegenstands (durch Zusammensetzung) bestimmen.
In jedem Begriff eines Gegenstands kommen die Katgorien in funktionellen Gebauch und führen diese Form der Anschauungsbestimmung mit sich. Wenn in der thomistischen Tradition unter der Voraussetzung, dass Gott der Gegenstands der Theologie als Wissenschaft sei, dann lediglich versucht wird, das Zusammensetzende des Verstandes (die Synthesis seienr Einbildungskraft) auszuschließen aus der Gedankenform an das „einfache“ Sein Gottes (durch die Identifizierung von Wesen und Sein), dann kommen durch die Hintertür der analogia entis all die Raum-Zeit-Bestimmungsverhältnisse wieder hinein und der immer noch vergleichende Verstand sucht dann – vergeblich – einen konsistenten Gottesgedanken durch Überbietung im „je unähnlicher“ …sich zu sichern. (-> IV. Lateran)
Anselms Ansatz des Gottesbegriffs im quo maius, das sich - wie P 5 zeigt – mit dem melius ipsum Kriterium verbindet, intendiert Gottes Sein nicht als „größtes von allen“, sondern hält es durch das Verhältnis zum Maß des Vermögens des Denkens aus dem Vergleich mit dem Sein von Dingen in der erfahrbaren Welt der Erscheinungen heraus.
Darum führt die Entsprechung, die die Einsichtsbewegungen durch Monologion und Proslogion hiindurch leitet, zu die Einheit der Wesenheiten als maßgeblich aufnehmenden Rechhteit der Verhaltensausrichtung, die vom Glauben getragen bleiben kann, dass Gott sich ursprünglich in der Ebenbildgabe in seinem Wesen uns als Maß und Grund zu erkennen gegeben hat, in einer Gabe, die wir nur in geistiger Erneuerung annnehmen können, dem Ursprung in wahrender Vergegenwärtigung zur Weitergabe des Empfangenen dankend.